Beschwipster Abteilungsleiter packt über Post aus
(das Gespräch wurde nach Gedächtnis aufgezeichnet)
Im Berliner Adlon feierte der Abteilungsleiter Manfred R. seinen Erfolg, den Vorstand überzeugt zu haben, die Post von ihrem eigenen Filialnetz zu trennen. Nach der dritten Flasche Champagner offenbarte er gegenüber einem Reporter dieser Zeitung, der ihm den Champagner spendierte, was er davon hielt.
„Natürlich suchen wir privaten Ersatz für unsere Filialen. Nur kriegen tun wir keine Guten mehr, weil wir nix zahlen. Wir sind für viele der letzte Strohhalm, aber, hähä, an einem Strohhalm kann man sich nicht über Wasser halten, wenn man nicht durch andere Einnahmen erschwimmen kann. Dann hängen die Würstchen aber schon im Vertrag mit uns drin. Da sind wir dann gnadenlos.
Wenn wir keinen Ersatz für unsere Filialen mehr kriegen, ist mir das egal. Auf dem Papier habe ich ausgerechnet, dass es so und so viele Supermärkte gibt, die die Struktur der jetzigen Postämter aufrecht erhalten können. Wenn die nicht mit machen, kann ich auch nichts dafür. Das ist eine andere Zuständigkeit in meiner Behörde. Da sieht man, wie praktisch die Zuständigkeit ist.
Und was schert uns schon der Service? Es ist mir schon klar, dass viele in dem Crashkurs bei den Kramern vieles nicht schnallen und Fehler machen. Aber das trifft ja nicht die Post, sondern den Kunden, den die Post endlich zum Teufel haut. Jetzt kann er seine Aufmüpfigkeit an den Verkaufsbuden auslassen. Das wird er sicher auch. Der Service wird doch viel schlechter. Wir wissen von privaten Filialen, eher Klitschen, die haben karge Öffnungszeiten, manchmal einmal die Woche ganz zu.Es gibt sogar Klitschen, die haben nur eine Stunde in der Woche offen. Und vor manchen kann man gar nicht parken, weil da unbeschänktes Halteverbot ist. Wir überlegen uns schon, ob wir nicht Rentner von gegenüber einstellen sollen, die die Parksünder anzeigen. Wenn wir von den Kommunen Provision dafür kriegen, erwägen wir das eventuell.
Das wäre eine sichere Einkommensquelle.
Die Deutsche Post begreift endlich, dass der Kunde zu spuren hat, und der begreift das schön langsam endlich auch. Wenn so ein Klitschenladen zu hat, oder der Bittsteller – so nennen wir unsere Kunden inzwischen intern, – abgekürzt BS – hin latscht und muss noch mal hin latschen, dann muss er es eben. Es bleibt ihm ja gar nichts anderes übrig, als das zu tun, was wir ihm zum Fraß hinwerfen. Im übrigen bieten wir unseren bisherigen Filialange-stellten dann andere Jobs an, die natürlich weit weg gelegen sind. Ich habe ausgerechnet, dass drei Viertel der ehemaligen Postler dann lieber arbeitslos werden anstatt umzuziehen. Die sind wir dann los.
Unsere lieben Kunden wissen ja noch gar nicht, was wir noch alles vorhaben. Selbstbedienung heißt das Zauberwort! Wir fördern die Gesundheit! Wellness im Regen oder Sonne auf natürliche Weise. Was das heißt, liegt doch auf der Hand! Die Briefzustellung wird abgeschafft. Die Leutchen müssen dann bei jedem Wetter zu ihrem lieben Kramer-Postamt gehen und ihre Briefe selbst abholen. Innerhalb zwei Tagen! Gegen Aufbewahr-ungsgebühr natürlich. Dadurch macht ja auch der Kramer mehr Geschäft. Und dann werden wir die Ausgabe von Briefmarken umstellen! Auf besondere Automaten. Die haben Spracherken-nung. Wer da was falsches oder nicht hochdeutsch rein quatscht, bekommt eben nichts. Das kann er dann zwar reklamieren, aber gegen Gebühr natürlich. Und mit entsprechenden Antragsformu-laren“!
Wenn der Automat nichts versteht, kommt nichts, ist doch klar! Die Gebühr für Gelderstattung oder Briefmarken-Umtausch ist allerdings 3 Euro und muss mit einem Antrag von 6 Durchschlä-gen ausgefüllt werden, der erst an uns geht, und, verstehen Sie, seine Bearbeitungszeit braucht. Sechs Wochen in etwa, weil er in verschiedenen Abteilungen kontrolliert und abgezeichnet werden muss. Wir wollen natürlich schon Kontrolle haben, was in den Filialen so verkauft wird. Das wird für uns ein hübsches Zusatzgeschäft. Ich habe mir nämlich ausgerechnet, dass die Deutschen auf dem Land vor den Automaten vor Rätseln stellen und viele Anträge auf andere Briefmarken kommen. Die Automaten werden richtig schön kompliziert und hinterhältig, darauf können Sie sich verlassen.
Ich meine: Hören Sie sich mal die ulkigen Dialekte an. Die versteht kein Automat. Also spuckt er die falschen Briefmarken aus, oder nix. Damit sich das auch antragsmäßig, in hoher Zahl, meine ich, rechnet, spuckt unser lieber Automat aber von Haus aus die falschen Marken aus, wenn er Dialekt hört und den ausnahms-weise verstehen sollte.
Sie schauen so dumm! Wir denken global. Das miese Inland können Sie sich an den Hut stecken. Die windigen Millionen, die durch das Filialnetz reingekommen sind, sind Peanuts gegen unseren globalen Umsatz. Umsatz, wohlgemerkt! Nicht die Verluste, die uns jeder unter die Nase reibt. Was unter dem Strich rauskommt, ist eine andere Sache. Hauptsache, wir sind global.
Das sieht man ja auch daran, dass unser ehemaliger Chef zum Manager des Jahres gekürt worden ist. So toll, wie der das alte Postsystem gegen die Wand gefahren hat, das ist schon genial. Sein Trick war einfach: Der hat einfach vor der Konkurrenz gekniffen, und schon war er konkurrenzlos. Wir waren ja auch Konkurrenz nicht gewohnt. Das wäre viel zu viel Arbeit für unseren Beamtenapparat gewesen. Das sollen jetzt andere Deppen für uns machen. Ich meine die Klitschen, in die wir unsere Filialen stecken. Mit Deppen können wir uns gottseidank ganz gut identifizieren. Unser Management ist dafür ausgezeichnet prädestiniert“.